Die Geschichte des Zweiten Weltkriegs ist in den vergangenen Jahren vor allem als Geschichte der nationalsozialistischen Expansion und ihrer Akteure, d.h. als "Tätergeschichte" geschrieben worden. Schwerpunkte der Forschungstätigkeit waren und sind der Holocaust und die Wehrmachtsverbrechen. Hinzu tritt in den meisten ehemals besetzten Ländern eine starke Ausrichtung auf den Widerstand. Die Situation lokaler Bevölkerungen unter den Bedingungen deutscher Besatzung ist demgegenüber ein Defizit in Forschung und Dokumentation geblieben. Das Projekt soll helfen diese Lücke zu schließen. Ziel des Projektes ist eine forschungsgestützte Edition von Quellen zu Alltags- und Gewalterfahrungen der Lokalbevölkerungen in den von der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten. Gefördert wird das Projekt von der Leibniz Gemeinschaft im Rahmen des Paktes für Forschung und Innovation. An dem Forschungs- und Editionsprojekt sind Kooperationspartner/-innen aus insgesamt 15 europäischen Ländern beteiligt. Im Sinne der Quellenedition gelten sowohl jene Regionen als besetzte Gebiete, die der Wehrmacht unmittelbar unterstanden, als auch Territorien, die von dieser an zivile Besatzungsverwaltungen übergeben wurden. Des Weiteren werden auch jene Territorien einbezogen, die zwar formal als annektiert anzusehen sind, deren Annexion jedoch Folge der Besatzung war, wie Westpolen (der sogenannte Warthegau) oder Luxemburg. Diese und weitere Einbeziehungen, wie z.B. Frankreich südlich der Demarkationslinie, tragen dem heutigen Selbstverständnis von der Unteilbarkeit des Staatsterritoriums ungeachtet des Krieges Rechnung. Die Quellenedition wird die strukturellen Rahmenbedingungen des Alltags in den besetzten Gebieten sowie die daraus resultierenden Grunderfahrungen der betroffenen lokalen Bevölkerungen dokumentieren. Im Fokus stehen dabei Mangelerfahrungen, Tausch- und Schwarzhandel sowie Anpassungs- und Überlebensstrategien in einem von häufig extremer Gewalt geprägten Umfeld, Entrechtung, Widerstand, aber auch Formen von Kooperation und direkte Tatbeteiligung bei nationalsozialistischen Verbrechen. Des Weiteren werden die Folgen der Ausbeutung durch die Besatzungsmacht für die lokalen Bevölkerungen in den Blick genommen. Ein großer Themenschwerpunkt wird überdies die Erfahrung von Ausgrenzung, Zwangsmigration und Verfolgung sein. Diese Erfahrungen konnten sowohl rassische und ethnische, als auch geschlechts- und generationenspezifische Aspekte aufweisen. Die für die Edition infrage kommenden Quellen stammen überwiegend aus den Kriegsjahren und werden durch Materialien aus der Zeit nach 1945 ergänzt. Dabei rücken in erster Linie bislang nicht edierte Quellen aus den Zentral-, Regional- und Ortsarchiven der jeweiligen Länder sowie Prozessüberlieferungen und Ego-Dokumente in den Blick. Wiederabdrucke werden nur in Ausnahmefällen vorgenommen, wie etwa bei zentralen Dokumenten, die grundlegende Rahmenbedingungen beschreiben, oder bei in Originalsprache publizierten Quellen, die bislang noch nicht in westlichen Sprachen rezipiert worden sind. Die Edition wird in englischer Sprache erscheinen. Geplant ist neben der Print- auch eine digitale Edition, die die Quellen nicht nur in englischer Übersetzung, sondern auch in Originalsprache, teilweise unterstützt durch Faksimiles, abbildet. Die digitale Edition soll im Rahmen eines Themenportals "World War II - Everyday Life Under German Occupation" erscheinen, das von den kooperierenden Institutionen gemeinsam getragen wird. An dem Forschungs- und Editionsprojekt beteiligt sind Partnerinstitutionen aus insgesamt 15 europäischen Ländern, die sich schwerpunktmäßig oder ausschließlich mit der Geschichte des jeweiligen Landes im Zweiten Weltkrieg befassen. Durch den vergleichenden Blick auf Phänomene des Kriegsalltags in ganz Europa und der Konzentration auf die Situation lokaler Bevölkerungen beleuchtet die Edition ein für die europäische Erinnerungs- und Geschichtspolitik zentrales Themenfeld, das in dieser länderübergreifenden Form bislang nicht dokumentiert ist. Stand bislang die "Tätergeschichte" im Fokus der wissenschaftlichen Aufarbeitung, so will das Forschungs- und Editionsprojekt einen Beitrag zur Geschichte lokaler Bevölkerungen unter den Besatzungsbedingungen des Zweiten Weltkriegs leisten und neue Wege in der Historiographie des Zweiten Weltkriegs aufzeigen.
Der Zweite Weltkrieg - Alltag unter deutscher Besatzung
Projektart | Drittmittelprojekt |
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Laufzeit | 01/2012 ‒ 12/2017 |
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