Normgenese in der Globalisierung. Autonomer Normsetzungsanspruch und europarechtliche Vorwirkung dargestellt am Beispiel des türkischen Ausländer-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrechts


Projektart Promotion
Finanzierung
Themen
  • Flüchtlingspolitik
Disziplinen
  • Rechtswissenschaften
Laufzeit 05/2005 ‒ 09/2011
Geographischer Fokus
  • Türkei
  • Europäische Union
Institutionen
Beteiligte Personen
  • Katja Schneider
    • Bearbeitung
  • Prof. Dr. Kay Hailbronner
    • Leitung
Kurzbeschreibung

Die Idee zur Schaffung nationalstaatsübergreifender Rechtsräume ist nicht erst mit der Globalisierung entstanden. Allerdings wird sie durch eine immer stärkere Vernetzung von Wirtschaftsbeziehungen, aber auch durch einen wachsenden kulturellen Austausch zunehmend begünstigt. Die Europäische Union als dynamischer supranationaler Rechtsraum ist, gemessen an ihrem Integrationsgrad, historisch einmalig. Niemals zuvor haben Nationalstaaten in diesem Umfang auf Souveränitätsrechte zugunsten supranationaler Institutionen verzichtet. Da der europäische Harmonisierungsprozess mittlerweile beinahe alle rechtlich geregelten Lebensbereiche erfasst, so dass Normgenese in den Mitgliedsstaaten praktisch nur noch unter Einbeziehung oder zumindest Berücksichtigung europäischer Vorgaben erfolgt, ist die Entwicklung der Europäischen Union als Anschauungsfeld für Prozesse der Normgenese in besonderem Maße geeignet. Während dieser Rechtssetzungsprozess in den Mitgliedsstaaten der EU allmählich und schrittweise abläuft, müssen Beitrittskandidaten im Zuge der Beitrittsverhandlungen einen Aufholprozess durchführen, um den gesamten rechtlichen Besitzstand der EU, den sog. acquis communautaire, in ihre Rechtsordnungen zu implementieren. Erst hierdurch schaffen sie die Voraussetzungen für eine Integration in den harmonisierten europäischen Rechtsraum. Von einer autonomen Normgenese kann in diesem Zusammenhang kaum gesprochen werden. Es handelt sich vielmehr um einen weitgehenden Nachvollzug unionsrechtlicher Vorgaben, wenn auch den Beitrittskandidaten gewisse Spielräume hinsichtlich der Umsetzung in nationales Recht verbleiben. Von dieser Situation weicht die der Staaten, die (noch) keinen Kandidatenstatus besitzen, sich den Beitritt zur Europäischen Union jedoch zu ihrem politischen Ziel gemacht haben, ab. Diese Staaten sind in ihrem legislativen Handeln zwar grundsätzlich frei von externen Zwängen, richten ihre gesetzgeberische Tätigkeit aber teilweise bereits nach europarechtlichen Vorgaben aus, um ihre zukünftige Beitrittsperspektive zu verbessern. Die selbst gewählte Beschränkung der Normsetzungsautonomie kann also zum Katalysator für gesellschaftsgestaltende Normveränderung werden. Wie diese "normative Vorwirkung" des Europarechts über die Grenzen der Gemeinschaft und den Kreis der Beitrittskandidaten hinaus funktioniert, soll im Rahmen des Projekts "Normgenese in der Globalisierung" am Beispiel des türkischen Ausländer-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrechts untersucht werden. Dieses bislang wenig beachtete Rechtsgebiet gehört zum klassischen Kern nationalstaatlicher Souveränität. Denn in ihm ist geregelt, wer sich im Staatsgebiet aufhalten bzw. niederlassen und wer Teil des Staatsvolks werden darf. Die Türkei ist seit 1999 offizieller Beitrittskandidat. Die Beitrittsverhandlungen mit der EU haben im Oktober 2005 begonnen. Sowohl das Ausländerrecht als auch das Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht waren in der Türkei in den vergangenen Jahren Gegenstand von durchgreifenden Reformen. In welchem Umfang sich die Türkei hierbei am Europarecht orientiert und sich im Hinblick auf einen EU-Beitritt in ihrer Normsetzungsautonomie selbst beschränkt hat und welche Stadien der normativen Vorwirkung sich in besonderer Weise auf den Prozess der Normgenese auswirken, soll im Rahmen dieser Studie untersucht werden.

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