Das seit 2013 von der DFG geförderte Projekt „Bewegte Netze“ widmet sich der Erforschung der Bauhausangehörigen und ihren Beziehungsnetzwerken insbesondere in den 1930er und 1940er Jahren. Ausgangspunkt ist die Frage, inwiefern die an der avantgardistischen Kunsthochschule in Weimar, Dessau und Berlin geknüpften Verbindungen so ausgeprägt waren, dass eine informelle „Bauhaus-Community“ die einzelnen Mitglieder über schwierige Zeiten nach 1933 hinwegtragen konnte.
6 Netzwerke: Um diese Fragen zu beantworten, werden sechs exemplarische und sehr unterschiedlich gewählte Netzwerke genauer analysiert. Drei Netzwerke gruppieren sich um zentrale Figuren, sogenannte „egozentrierte Netze“. Die weiteren Netzwerke sind regional- bzw. berufsspezifisch orientiert. Flucht, Migration und Exil gehören dabei zu Erfahrungen, die in allen 6 Netzwerken präsent sind. 1. Netzwerk Walter Gropius in den USA: Zentral steht hier die Bauhaus-Ausstellung 1938 am Museum of Modern Art in New York als Produkt des engen Netzwerkes um den Bauhaus-Gründer Walter Gropius. 2. Netzwerk Hannes Meyer: Der 2. Bauhaus-Direktor Hannes Meyer macht nach seiner Entlassung vom Bauhaus Dessau einen radikalen Schnitt und geht nach Russland, wobei er von einer Handvoll seiner treuen Studierenden begleitet wird, der sogenannten „Rote Brigade“. 3. Netzwerk Gerhard Marcks: Der konservative Bildhauer Gerhard Marcks schart am frühen Bauhaus Weimar eine enge Schülerschaft um sich, die bis weit über 1945 in persönlichem und brieflichem Kontakt steht. 4. Bauhaus-Grafiker 1933-1945: In diesem Netzwerk werden die Grafiker des Bauhauses untersucht, die bei Herbert Bayer oder Moholy-Nagy gelernt hatten und sich nach 1933 teils sehr erfolgreich, teils in sehr prekären Verhältnissen durchschlagen. 5. Bauhaus-Architekten im Nationalsozialismus: Die letzten Schüler unter Mies van der Rohe am Bauhaus sehen sich nach 1933 neuen politischen Verhältnissen ausgesetzt, mit denen sie sich als Architekten aufgrund der guten Arbeitslage größtenteils arrangieren. 6. Bauhaus und Niederlande: Aus unterschiedlichen Gründen gehen ca. 15 deutsche Bauhaus-Studierende zwischen 1930-1938 in die Niederlande. Insbesondere für die jüdischen unter ihnen wird das Land spätestens nach der deutschen Besatzung 1940 zur Falle.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Kennzeichnend für das Projekt ist die Zusammenarbeit zwischen den zwei Fachdisziplinen Kunstgeschichte (BTU Cottbus, Prof. Magdalena Droste) und Kommunikationswissenschaft (Universität Erfurt, Prof. Patrick Rössler). Während die Kunstgeschichte die bisherige biografische Forschung zusammenfasst und durch umfangreiche Archivarbeit erweitert, fließen unter Leitung der Kommunikationswissenschaft die gewonnen Erkenntnisse in eine Datenbank, die durch eine grafische Auswertung einen neuartigen visuellen Zugang zu den historischen Informationen erlaubt. Letzteres steht unter Verantwortung der beiden Mediendesigner und Doktoranden Jens Weber und Andreas Wolter. Dieser methodische Zugriff wird die Unterschiedlichkeit und Gemeinsamkeit der Netzwerke, Entwicklung und Auflösung grafisch erfahrbar machen und wiederum Rückschlüsse auf das Nachleben des gesamten Bauhauses zulassen. Die Herangehensweise steht damit in einer Reihe jüngster Bestrebungen, die aus den Sozialwissenschaften herrührende Netzwerkanalyse für die Geschichtswissenschaften fruchtbar zu machen.
Ziele: Zum einen sollen abschließend sechs wissenschaftlich fundierte Aufsätze zu den gewählten Netzwerken in einer Monografie publiziert werden. Zweitens wird die im Projekt entwickelte Datenbank online gestellt um die erforschten Biografien öffentlich recherchierbar zu machen und weitere Forschungen anzustoßen. Drittens sind zu allen 6 Netzwerken Ausstellungen bzw. Ausstellungsbeteiligungen geplant, die teilweise mittlerweile schon abschlossen sind bzw. ein konkretes Planungsstadium erreicht haben.