Die Rolle von Religion, Ideologie und Gewalt im Institutionalisierungsprozess des „Islamischen Staates“ in Irak und Syrien


Projektart Habilitation
Finanzierung
Themen
  • Gewaltmigration
Disziplinen
  • Geschichtswissenschaften
  • Philosophie- und Religionswissenschaften
  • Sonstiges
  • Soziologie
Projektwebseite www.his-online.de
Laufzeit 11/2015 ‒ 10/2020
Geographischer Fokus
  • Irak
  • Syrien
Institutionen
Beteiligte Personen
  • Dr. Miriam M. Müller
    • Leitung
Kurzbeschreibung

Die jihadistisch-salafistische Gruppe „Islamischer Staat (IS)“ (Daesh) geht mit ihrem territorialen Anspruch auf Gebiete in Syrien und im Irak und dem Versuch die Verorganisierung der Bewegung2 in Richtung einer staatstypischen Institutionalisierung voranzutreiben, weit über die bisher erreichten Ziele anderer jihadistisch-salafistischer Gruppen hinaus. Mit der „Ausrufung des Kalifats“ im Frühsommer 2014 löste Daesh zudem aus Sicht seiner Anhänger das zentrale Versprechen der jihadistisch-salafistischen Bewegung des 20. und 21. Jahrhunderts ein und schuf sich gleichermaßen eine Legitimationsgrundlage nach innen und außen. Zur Erlangung und Konsolidierung der Kontrolle über das betreffende Gebiet und die dort lebende Bevölkerung plante die Gruppierung öffentlichkeitswirksam umfassende Maßnahmen der staatstypischen Institutionalisierung und Konsolidierung und begann diese im Rahmen ihrer personellen, finanziellen und machtpolitischen Möglichkeiten umzusetzen. Ziel des Forschungsprojektes ist es, die Etablierung und Ausweitung territorialer Kontrolle der terroristischen Gruppe Daeshs auf den Staatsgebieten Syriens und Iraks als Prozess zu beschreiben, bezüglich ihrer religiös-ideologischen Weltanschauung zu analysieren und hinsichtlich der (mutmaßlichen) Ziele der Gruppe zu interpretieren, um auch neue, vergleichbare Phänomene erkennen, verstehen und diesen entgegenwirken zu können. Die Auseinandersetzung mit den ideologischen Treibkräften der Bewegung und deren Einbindung und Instrumentalisierung in ihrer Außendarstellung zum Zweck der Legitimierung, Mobilisierung, Rekrutierung, aber auch Abschreckung bildet einen weiteren, theoretischen Schwerpunkt des Forschungsprojektes. Empirisch gestützt werden die theoretischen Befunde durch eine Langzeitmedienanalyse der gruppeneigenen Medienkanäle, sowie die beobachtende Teilnahme an den strafrechtlichen Verfahren ausgewählter Syrienrückkehrer. Die wichtigste empirische Grundlage der Studie sind umfassende Einzelgespräche mit Augenzeugen. Bisher sind Gespräche mit aus den vom „Islamischen Staat“ kontrollierten Gebieten geflohenen Flüchtlingen, sowie verurteilten IS-Rückkehrern in Deutschland, Österreich und der Schweiz geplant. Im Idealfall würden im Nordirak systematische Gespräche mit Staatspersonal und Zivilbevölkerung in konkreten, von der Kontrolle Daeshs inzwischen befreiten, administrativen Einheiten (Ortschaft, Stadt, Distrikt), durchgeführt werden und an die bislang geführten Interviews anschließen. Alternativ könnten bei Einschränkungen aufgrund der Sicherheitslage Gespräche mit aus einer konkreten administrativen Einheit geflohenen Personen in Erbil erfolgen, bzw. in Erbil Kontakte zu möglichen Gesprächspartnern geknüpft und Interviews telefonisch/online geführt werden. Die Interviews im Nordirak würden voraussichtlich die empirisch wertvollsten Angaben bzgl. der konkreten Fragen zum Institutionalisierungsprozess des „Kalifats“ in Irak und Syrien liefern und die bisherigen empirischen Hinweise nachhaltig bestätigen oder falsifizieren. Nur auf Grundlage des persönlichen Gespräches können zudem Effekte der Institutionalisierungsbestrebungen des „Islamischen Staates“ auf die lokale Bevölkerung wissenschaftlich erfasst und ausgewertet werden.

Die Gebotenheit der zeitnahen, wissenschaftlichen Analyse der in dieser Form erstmalig militärisch und rechtlich inter- und transnational relevanten Falles territorialer Manifestation der jihadistisch-salafistischen Bewegung ergibt sich erstens (1) aus den massiven rechtlichen, sicherheits- und gesellschaftspolitischen Implikationen und Auswirkungen der gewaltsamen Annexion staatlichen Territoriums international anerkannter Staaten, einschließlich deren Grenzen. „threat to international peace and security“, UN Charta, Kap. I, Art.2 (4); Kap. VII, Art.39 Mit Blick auf die während der letzten beiden Jahre einsetzenden Nachahmung des „Kalifatsprojektes“, sind zweitens (2) mittel- und langfristig Versuche der Territorialisierung durch terroristischer Gruppen des jihadistischen-Salafismus auch in anderen regionalen Kontexten zu erwarten. Aktuelle Beispiele an dieser Stelle sind u.a. die Jabhat Fattaḥ Al-Shām (ehem. Nusra-Front) in Syrien, die AQAP und per Treueschwur angebundene Gruppierung „Islamischer Staat“ in Jemen, oder der „Islamische Staat“ in Sirte, Libyen. Als Vergleichsfolie zu derlei Fällen sollen es die Ergebnisse des Forschungsprojektes anderen Fallstudien ermöglichen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede bzgl. der ideologischen Ausrichtung, der Organisation, den Zielen, jedoch insbesondere auch der geplanten und implementierten Maßnahmen zur Erlangung und Konsolidierung territorialer Kontrolle zu benennen und zu begründen.

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