Zugehörigkeitspolitiken: Staatenlosigkeit in transnationaler Perspektive in Westeuropa (1919-1960er)


Projektart Habilitation
Finanzierung
Themen
  • Flüchtlingspolitik
  • sonstiges
Disziplinen
  • Geschichtswissenschaften
Laufzeit 01/2010 ‒ 12/2017
Geographischer Fokus
  • Frankreich
Institutionen
Beteiligte Personen
  • Dr. Kathrin Kollmeier
    • Leitung
Kurzbeschreibung

Das Forschungsprojekt untersucht den Wandel von Zugehörigkeitskonzeptionen in der Hochmoderne in Westeuropa am Ausnahmefall – wenn die Zugehörigkeit zu einem Staat fehlt oder prekär geworden ist. Als neuartiger Status fehlender rechtlicher und diplomatischer Bindung an einen Staat, entstand Staatenlosigkeit im Europa beider Weltkriege in der Auflösung der alten Imperien, als Nationalstaaten immer wieder massenhaft Bevölkerungsgruppen in die Staatenlosigkeit entließen oder ausbürgerten. Parallel zu der vierzigjährigen „europäischen Flüchtlingskrise“ (1919-1959) wurde Staatenlosigkeit in den neugeschaffenen internationalen Organisationen von Völkerbund und Vereinten Nationen als Kategorie des Völkerrechts definiert. Nach den UN-Konventionen zum Status Staatenloser Personen 1954 und zur Vermeidung von Staatenlosigkeit 1961, verlagerte sich das Phänomen in den außereuropäischen Raum. Die enge Verbindung von Migrationsbewegung und Kategorisierungprozess im Untersuchungszeitraum ermöglicht, zwei paradoxe politische Prozesse des 20. Jahrhunderts exemplarisch zu erfassen: Einerseits lässt sich die neuartige Entrechtung ganzer Bevölkerungsgruppen durch die Entlassung in Staatenlosigkeit beobachten. Andererseits zielte eine international ausgehandelte Verrechtlichung auf die Regulierung der Folgen dieser außen- und bevölkerungspolitischen Aggression. Die übergreifende historische Fragestellung zielt auf die Analyse dieser verflochtenen historischen Entwicklungen, die das Verhältnis von Recht und Politik ebenso veränderten wie das von Staat und Individuum. Empirisch werden Wahrnehmung und Umgang mit Staatenlosigkeit in Frankreich vom Ersten Weltkrieg bis zur Dekolonialisierung als Interaktion zwischen Akteuren aus Politik, Verwaltung und den Betroffenen, untersucht. Die Analyse verbindet staatlich-administrative Politiken vor dem Hintergrund entstehender internationaler Körperschaften und Rechtsinstitutionen mit der Sozial- und Erfahrungsgeschichte staatenloser Gruppen und Individuen. Das methodische Bindeglied bildet ein semantischer Ansatz, welcher der Begriffsneubildung für ein Mangelverhältnis von Zugehörigkeit nachspürt. Als Geschichte von Zugehörigkeitskonzeptionen und -politiken in Westeuropa, zielt die Studie exemplarisch auf eine Beschreibung der veränderten – gleichermaßen bestärkten wie geschwächten – Bedeutung von Recht und Nationalstaat im 20. Jahrhundert, wie sie in den verflochtenen Prozessen von Entrechtung und Verrechtlichung bei der Entstehung und Regulierung von Staatenlosigkeit markant zum Ausdruck kam. Sie verknüpft etablierte und neuere Felder, an deren Forschungen sie anschließt: die ausdifferenzierte historische Nationalitäts- und Staatsbürgerschaftsforschung, Migrations- und Flüchtlingsforschung, die kritische Historisierung von Menschenrechten, Universalismen und internationalen Organisationen sowie die Neubewertung von Imperien.

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