PM: Neue Studie zur Flucht- und Flüchtlingsforschung warnt vor thematischer Verengung und kurzen Projektlaufzeiten
, Bonn / Osnabrück
Die Anzahl neuer Forschungsprojekte, die Flucht, Flüchtlingspolitik und die Aufnahme Geflüchteter untersuchen, hat sich zwischen 2013 und 2016 verfünffacht. Ein aktueller Forschungsbericht des vom Bundesforschungsministerium geförderten Verbundprojekts „Flucht: Forschung und Transfer“ des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück und des Bonner Friedens- und Konfliktforschungsinstituts BICC belegt, dass die deutsche Flucht- und Flüchtlingsforschung im internationalen Vergleich zwar Fortschritte gemacht hat. Gleichzeitig sehen die Forscher aber eine inhaltliche Verengung des Untersuchungsgegenstands auf nationale Belange.
Der Forschungsbericht „Flucht- und Flüchtlingsforschung in Deutschland: Akteure, Themen und Strukturen“ belegt, dass in den vergangenen Jahren der Themenkomplex Aufnahme und Teilhabe von Geflüchteten in Deutschland zunehmend in den Fokus der Untersuchungen gerückt ist. Forschungen zu Gewaltmigration sowie Flüchtlingspolitik machen hingegen nur noch einen geringen Anteil der Flucht- und Flüchtlingsforschung in Deutschland aus. Speziell die Situation von Flüchtlingen im Globalen Süden wird in der Forschung zunehmend vernachlässigt. So hatten 2016 hatten nur noch 20 Prozent der neuen Projekte keinen Deutschlandbezug, im Vergleich zu über 40 Prozent 2014. „Die Flucht- und Flüchtlingsforschung hat mit Studien schnell auf den gesellschaftlichen Wissensbedarf reagiert. Die thematische und geographische Verengung wird dem globalen Ausmaß des Forschungsgegenstands jedoch nicht gerecht“, betont BICCs Forschungsdirektor Prof. Conrad Schetter, einer der drei Projektleiter.
Als positiv bewertet die Studie die dezentrale Entwicklung des Forschungsfeldes. Flucht- und Flüchtlingsforschung wird im gesamten Bundesgebiet betrieben, insbesondere an multidisziplinär arbeitenden Forschungseinrichtungen. Doch die Vernetzung ist bislang wenig ausgeprägt. 61 Prozent der Projekte werden von einzelnen Institutionen ohne Kooperationspartner durchgeführt. Dr. Olaf Kleist, Projektkoordinator und Autor des Forschungsberichts, sieht hierin Vorteile aber auch Herausforderungen für die hiesige Forschungslandschaft: „Gerade die dezentralen Strukturen und spezialisierte Forschungseinrichtungen können der Komplexität der Flucht- und Flüchtlingsforschung gerecht werden, sofern die entstandenen Strukturen nachhaltig vernetzt und Kooperationen ausgebaut werden.“
Der Anteil an Drittmittelprojekten nahm rasant zu, die 2014 nur 20 Prozent, aber die Hälfte der 2016 begonnenen Forschungsprojekte ausmachten. Zugleich nahm die durchschnittliche Projektlaufzeit deutlich ab, so dass 35 Prozent der 2016 begonnenen Projekte auf nicht länger als ein Jahr angelegt waren. „Die Flucht- und Flüchtlingsforschung ist in der Wissenschaftslandschaft angekommen, bedarf aber nun langfristiger Aktivitäten und nachhaltiger Finanzierung“, hebt IMIS–Direktor und Ko-Projektleiter Prof. Andreas Pott hervor.
Der Forschungsbericht „Flucht- und Flüchtlingsforschung in Deutschland: Akteure, Themen und Strukturen“ von J. Olaf Kleist basiert auf umfangreichen Angaben zu 511 einschlägigen Forschungsprojekten, die zwischen 2011 und 2016 in Deutschland durchgeführt wurden. Recherchiert durch das „Flucht: Forschung und Transfer“-Team stehen Informationen zu insgesamt über 570 Forschungsprojekten in einer Datenbank online zur Verfügung und können zudem in einer Forschungslandkarte visualisiert werden. „Dieser Überblick über die Flucht- und Flüchtlingsforschung macht sowohl die enorme Leistungsfähigkeit des Forschungsfelds als auch Leerstellen, Wissensbedarf und strukturelle Schwächen deutlich. Daher ist es nun unerlässlich, Konzepte zu entwickeln, wie die deutsche Flucht- und Flüchtlingsforschung in der nationalen und internationalen Wissenschaftslandschaft zukünftig besser aufgestellt werden kann“, fordert Prof. Jochen Oltmer, Ko–Projekt–Leiter am IMIS.
Der Forschungsbericht „Flucht- und Flüchtlingsforschung in Deutschland: Akteure, Themen und Strukturen“ von J. Olaf Kleist kann von der Homepage des Projekts „Flucht: Forschung und Transfer“ heruntergeladen werden:
https://flucht-forschung-transfer.de/wp-content/uploads/2018/02/State-of-Research-01-J-Olaf-Kleist-web.pdf
oder kostenlos im Projektsekretariat bestellt werden: Frau Anke Riss, fft-imis@uni-osnabrueck.de
Eine Zusammenfassung des Forschungsberichts erschien auf dem FlüchtlingsforschungsBlog:
„Ein Forschungsfeld im Umbruch: Flucht- und Flüchtlingsforschung in Deutschland von 2011 bis 2016“
Forschungslandkarte und –datenbank: https://flucht-forschung-transfer.de/map/
Kontakt
Flucht: Forschung und Transfer Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) Universität Osnabrück Neuer Graben 19/21 D – 49069 Osnabrück |
Sekretariat: Anke Riss Tel.: +49 541 969 4426 |
Projektkoordination und Dr. J. Olaf Kleist Tel.: +49 160 96252807 |