Die Herausforderungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt und der Hochschulbildung von Geflüchteten sowie Fragen des ehrenamtlichen Engagements mit und für Geflüchtete standen im Mittelpunkt der drei Workshops mit Vertreter*innen aus der Praxis und Wissenschaft am 10. November in Berlin. Der Erfahrungsaustausch im Rahmen des Verbundprojekts ‚Flucht: Forschung und Transfer‘ zeigt klare Synergieeffekte auf und bedarf einer Fortsetzung eines intensiven Dialogs zwischen den Akteur*innen aus der Wissenschaft und Praxis.

An dem Transfer-Workshop nahmen rund 40 Personen teil, neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch Integrationsbeauftragte, Vertreter*innen aus Kultur- und Forschungsinstituten, zivilgesellschaftlichen Initiativen, Social Start-Ups, der Entwicklungszusammenarbeit, aber auch in Gewerkschaften und politischen Organisationen Tätigen. In drei Diskussionsgruppen wurde über politische Handlungsempfehlungen zu den Forschungsfeldern, „Arbeitsmarktzugang von Geflüchteten“, „Hochschulbildung und Geflüchtete“ und „Engagement mit und für Geflüchtete“, beraten. Der Workshop wurde vom BIM (Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung, Humbold Universität zu Berlin) für das BMBF-Verbundprojekts „Flucht: Forschung und Transfer“, das vom BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn) und IMIS (Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien, Universität Osnabrück) durchgeführt wird, organisiert.

Dokumentation der Workshops (PDF)

Transferworkshop Berlin Arbeitsmarkt
Transferworkshop Berlin Hochschulbildung
Transferworkshop Berlin Zivilgesellschaft


In drei Diskussionsgruppen wurden politische Handlungsempfehlungen diskutiert.

In der Gruppe zum Thema Hochschule und Geflüchtete wurden die vorliegenden Handlungsempfehlungen intensiv diskutiert und weiterentwickelt. Dabei fiel auf, dass es zu Überschneidungen mit anderen Bereichen, wie dem Arbeitsmarktzugang von Geflüchteten, komme. Um die Anerkennungsproblematik von Qualifikationen geflüchteter Studieninteressierter zu beschleunigen und eine einheitliche Vorgehensweise zu schaffen, könnte die Idee einer Plattform, die Leistungen für alle Hochschulen zentral verwaltet, eine Lösung sein.

Bei der Frage, welche Daten zum Thema Geflüchtete und Hochschulbildung schon bestehen und welche Möglichkeiten an verschiedenen Stellen liegen, Daten für Bedarfsanalysen in der Forschung brauchbar zu machen, wurde die Rolle von Evaluationen für die Einsicht in Perspektiven Geflüchteter Bedarfe, deutlich.

Unterstützungs- und Beratungsangebote an Hochschulen sollten sich nicht ausschließlich an Geflüchtete richten, vielmehr lassen sie sich auch auf andere Studierendengruppen übertragen. Angebote für eine breitere Gruppe bereitzustellen, könnte die Hochschulöffnung vorantreiben, so dass z.B. Gelder längerfristig zur Verfügung stünden. Daran anknüpfend wurden kurze Förderungslaufzeiten sowie allgemeine strukturelle Inkonsistenzen problematisiert. Hier wurde die Empfehlung bekräftigt, wie wichtig es sei, eine längere strukturelle Nachhaltigkeit zu schaffen. Nur so könne prekärer Beschäftigung, dem Verlust von Wissen sowie Kontakten und Netzwerken, entgegen gewirkt werden.

Die Gruppe zum Ehrenamt diskutierte die Erwartungen an das Ehrenamt seitens Personen, die sich engagieren möchten. Aus dem Austausch ging die Forderung nach einer stärkeren begrifflichen Differenzierung, was unter einem Ehrenamt verstanden wird, hervor. In Anlehnung an die Handlungsempfehlungen, haben sich die Teilnehmer*innen über Fördermöglichkeiten von sozialem Engagement für und mit Geflüchteten ausgetauscht. Im Fokus standen Herausforderungen, wie die Bereitstellung unbürokratischer Förderungen oder der Ausgleich ungleicher Möglichkeiten unter den Kommunen.

Weiter betonte die Diskussiongruppe eine ungleiche Sichtbarkeit zwischen Flüchtlings- und Asylgegnern und den unterstützend Tätigen. Die Herausforderung bestehe einerseits darin, dass es auch eine Aufgabe der Ehrenamtlichen selbst sei, für eine ausgeglichene Sichtbarkeit zu sorgen. Andererseits müsse auf struktureller Ebene für eine bessere Vernetzung gesorgt werden. Ein Lösungsansatz könnte die Etablierung von Begegnungszentren für Ehrenamtliche sein, die sowohl für Geflüchtete als auch Ehrenamtliche zugänglich sind und das Potential innehaben größere Strukturen entstehen zu lassen.

Immer wieder stießen die Diskussionsteilnehmer*innen auf das Wirken der Flüchtlingspolitik und ihrer politischen oder nicht-politischen Motive, die das Handeln der Forschung und Praxis ermögliche bzw. beschränke. Es wurde konstatiert, dass die Frage des Einflusses eines der unlösbaren Konfliktfelder für die Forschung zu sein scheint. Für die Flüchtlingsforschung sicherlich ein Hinweis erneut konzeptionell über den Forschungsgegenstand und über die Anstöße, die mit den Handlungsempfehlungen geben werden können, nachzudenken.

In Bezug auf den Arbeitsmarktzugang von Geflüchteten wurde sehr viel über die aktuellen Diskussionen in der Wissenschaft und Praxis diskutiert: Persönliche Hintergründe und Motivationen, die Komplikationen weiterhin beschäftigungsfähig zu sein und einen Eingang in den Arbeitsmarkt zu finden.

Bei der Frage von Positionen wurden einerseits Arbeitgeber und ihre Bedarfe analysiert und beleuchtet, inwiefern die Arbeitgeberperspektive ernst und wahrgenommen wird. Andererseits ging es auch um die Arbeitnehmerperspektive und ihre Zugänge, Eintritte, Barrieren und Schwierigkeiten zum Arbeitsmarkt. Zentrale Fragen waren: Wie ist die Arbeitsvermittlung organisiert? Wie kooperieren Arbeitsagentur für Arbeit, Jobcenter, freie Träger und zivilgesellschaftliche Initiativen? Wie ist unser Ausbildungssystem und das Arbeitsmarktregime strukturiert? Auffallend war, dass der unterschiedliche politische rechtliche Status von Flüchtlingen für den Arbeitsmarktzugang entscheidend ist.

Ein spezifisches Thema war der Arbeitsmarktzugang von geflüchteten Frauen. Obwohl längst bekannt sei, welche Instrumente notwendig sind, um geflüchteten Frauen den Arbeitsmarktzugang zu ermöglichen, wurde konstatiert, beständen große Widerstände, die entsprechenden Instrumente einzusetzen.

Deutlich wurde, dass es ein Umdenken in zweierlei Hinsicht braucht. Erstens müssen die eigenen Perspektiven von Geflüchteten auf ihre Ziele, ihre Selbstverständnisse als Professionals, als Studierende usw. wahrgenommen, ernst genommen und respektiert werden. Es sei nötig, Geflüchtete nicht als „die Flüchtlinge“ zu betrachten und als Forschungsobjekt zu framen, sondern sie auch durch die Brille von Menschen mit beruflichen Ambitionen wahrzunehmen.

Zweitens wurde eine Paradigmenumkehr in den Ländern und der Politik angesprochen. Die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt sei nicht nur ein Problem und eine Herausforderung, sondern auch ein Potential und ein Lernen für die Gesellschaft, aber auch ein Transformationsprozess für den Arbeitsmarkt.

Im Austausch wurde deutlich, dass die Flüchtlingsforschung sich über den Wissensbedarf der Praxis zum Thema Arbeitsmarkt und Geflüchtete, bewusst werden müsse, um die richtigen Antworten geben zu können. Im Raum standen Fragen, wie „Welchen Beitrag kann die Wissenschaft beim Sammeln und Verbreiten weiterer best practice Beispiele leisten?“.

Daran anschließend tauschten sich die Diskussionsteilnehmer*innen über Formate aus, in denen ein intensiver Dialog von Wissenschaft und Praxis erwünscht und möglich sei. Der gemeinsame Konsens war, dass das Netzwerken, der Austausch und die Möglichkeit, Erwartungen zu formulieren – zwischen Wissenschaft und Praxis – ein wichtiger Schritt in der Entwicklung von Forschung und Politik war. Es reiche jedoch nicht aus, nur Information zur Verfügung zu stellen, sondern es bedürfe weiter regen Austausch.

Wir danken allen Diskussionsteilnehmer*innen für den intensiven Austausch und die fruchtbaren Workshops und den Zeichnerinnen für deren künstlerisch Begleitung und die graphisch Übersetzung unserer Diskussionen haben.

© Zeichnungen: Titziana Jill Beck, Paula Bulling. © Fotos: Kristina Mauer