Projektart |
Drittmittelprojekt |
Finanzierung |
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Themen |
- Flüchtlingspolitik
- sonstiges
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Disziplinen |
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Laufzeit |
02/2012 ‒ 08/2016 |
Geographischer Fokus |
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Institutionen |
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Beteiligte Personen |
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Kurzbeschreibung
Die Arbeit verfolgt die These, dass die Situation von Flüchtlingen heute in besonderer Weise auf grundlegende Spannungen und Widersprüche politischer Gemeinschaften verweist, und es daher lohnt, theoretische Diskussionen zu den Grenzen von demokratischer Bürgerschaft mit Rechtsfragen im Flüchtlingsschutz zusammenzubringen. Einerseits hält eine demokratietheoretische Perspektive wichtige Erkenntnisse für das Flüchtlingsrecht bereit: Fragen nach der Organisation von Flüchtlingsschutz, der Verantwortungsteilung zwischen Staaten, oder der Ausgestaltung von internationalem Schutz lassen sich allesamt mit Blick auf die Bedingungen politischer Mitgliedschaft von Flüchtlingen betrachten. Andererseits bildet die Situation von Flüchtlingen einen kritischen Maßstab, um Vorschläge und Ansätze für demokratische Verfahren jenseits des Staates zu diskutieren.
Die Arbeit beginnt mit einer Untersuchung des Flüchtlingsbegriffs, der historisch parallel zu der Entwicklung des territorialen Nationalstaats an Bedeutung gewinnt und in diesem Rahmen ein Konzept der Ausnahme bildet: Während die staatliche Gemeinschaft grundsätzlich frei über Zugang zu Territorium und zu politischer Mitgliedschaft entscheiden kann, verkörpert die Figur des Flüchtlings die normative Idee, dass Personen unter bestimmten Umständen von Not nicht abgewiesen werden dürfen. Als das „eine weltbürgerliche Recht“ von Immanuel Kant beschrieben, bildet diese mit dem Flüchtlingsbegriff verbundene Vorstellung den Ausgangpunkt um über das Dilemma nachzudenken, das bei der rechtlichen Definition des Flüchtlings und der Regelung von Flüchtlingsrechten entstehen. Entlang der diversen Interpretationen des Arendt’schen „Rechts Rechte zu haben“ untersucht die Arbeit das Verhältnis vom Institut der Bürgerschaft zur Situation von Flüchtlingen. Demokratische Bürgerschaft bildet einerseits die legitimierende Grundlage von Recht und ist andererseits auf rechtlich definierte Verfahren und Beteiligungsrechte bezogen. Die daraus entstehende Spannung zwischen notwendiger Offenheit und der Notwendigkeit definierter Rechtspositionen wird an den Rändern formaler politischer Mitgliedschaft besonders deutlich.
Insofern ermöglicht die Figur des Flüchtlings auch einen Zugang zu den normativen Fragen der Internationalisierung des Rechts, welcher statt vom Idealfall demokratischer Legitimation im Staat von deren Grenzen und Widersprüchen ausgeht. Eine solche Perspektive kann der Gefahr einer Dichotomie zwischen unkritischem Universalismus und Rückkehr zum nationalstaatlichen Begriffsrahmen begegnen, die sich in Diskussionen über Demokratie unter Bedingungen der Globalisierung oft ergibt. Die konkreten rechtlichen Fragen, die sich im Bezug auf die politische Situation von Flüchtlingen stellen, bilden so auch die Bereiche ab, in denen diese Spannung zwischen Begrenztheit und Offenheit demokratischer Bürgerschaft verhandelt wird.
Die Arbeit nimmt drei solcher Bereiche in den Blick und zeichnet darin die groben Linien rechtlicher Fragen auf: Zunächst lässt sich im Bezug auf das internationale Recht fragen, inwieweit es als Recht jenseits nationalstaatlicher Grenzen Möglichkeiten der Inklusion von Flüchtlingen eröffnet, und ob zivilgesellschaftliche Gruppen dabei eine demokratische Rolle einnehmen können. In diesem Zusammenhang betrachtet die Arbeit die Mitwirkung von Nichtregierungsorganisationen im UNHCR und verbindet diese mit einer Diskussion der Kriterien, nach denen die demokratische Qualität von zivilgesellschaftlichen Gruppen bewertet werden kann. Einen weiteren wichtigen Bereich für Fragen politischer Mitgliedschaft bilden Situationen „humanitärer Regierung“, in denen UNHCR und Partnerorganisationen beispielsweise in der Verwaltung von Flüchtlingslagern die tatsächlichen Entscheidungsträger in vielen täglichen und weiterreichenden Angelegenheiten bilden. Die Arbeit zeichnet hier die Kritik von Flüchtlingslagern mit einem Fokus auf deren Begrenzung politischer Handlungsspielräume von Flüchtlingen nach, und argumentiert, dass diese Analyse in eine Kritik der mangelnden internationalen Verantwortungsteilung im Flüchtlingsschutz münden muss. Schließlich betrachtet ein letztes Kapitel die bestehenden Regelungen zu politischen Rechten von Flüchtlingen im Staat. Ausgehend von einem graduellen Verständnis politischer Mitgliedschaft und einer Übersicht zu jeweiligen Regeln im internationalen Recht, verweist die Argumentation auf die besondere Bedeutung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit für Flüchtlinge.